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13.03.2024

Auf Hörreise mit dem „Incredible Hulk“

Hollywood-Schauspieler, Fitness-Ikone und Cochlea-Implantat-Träger Lou Ferrigno zu Besuch in Berlin

Mitte Juni weilte er zu einem zweitägigen Besuch in der Bundeshauptstadt: Schauspieler und Fitness-Ikone Lou Ferrigno, bekannt vor allem als der „Incredible Hulk“ aus der erfolgreichen US-amerikanischen TV-Serie, reiste auf Einladung von Cochlear Deutschland nach Berlin, wo er eine Hörtest-Aktion des Deutschen Schwerhörigenbundes e.V. (DSB) vor dem Reichstagsgebäude unterstützte und sich in der HNO-Klinik der Berliner Charité aus erster Hand über den Stand der Cochlea-Implantat-Versorgung in Deutschland informierte. Wir waren dabei.

Ein schöner Sonntag im Zentrum von Berlin. Touristen vom Brandenburger Tor, Spaziergänger aus dem Tiergarten und Radfahrer, die von der Fahrrad-Sternfahrt kommen… Sie alle überqueren den Übergang unmittelbar vor dem Reichstagsgebäude und werfen neugierige Blicke: ein Info-Stand, ein Passanten-Stopper: „DSB-HÖRMobil-TOUR: KOSTENLOSER HÖRCHECK im Hörmobil“. Das Mobil steht am Straßenrand bereit – einladend, mit weit geöffneter Tür. Veranstaltet wird die Aktion vom Deutschen Schwerhörigenbund e. V. (DSB), der hier vor allem aufklären will – zum besseren Hören und über optimale Versorgungen mit Hörgerät bzw. Cochlea-Implantat (CI).

Das Angebot trifft auf Interesse. Passanten bleiben stehen und suchen das Gespräch mit dem Aktionsteam. Familie Schmidt aus Fulda, die das Wochenende in Berlin verbringt, hört heute das erste Mal vom CI. Und Ulla Johanson aus Charlottenburg, die mit ihrer Freundin von der Sternfahrt geradelt kommt, will die Gelegenheit unbedingt nutzen: „Einen Hörtest wollte ich schon immer mal machen“, erklärt sie und wartet geduldig, weil die Messkabine im Hörmobil noch besetzt ist. Dann nimmt Frau Johanson im Radleroutfit in der Kabine Platz und erhält im Anschluss ihr Audiogramm inklusive Auswertung durch Hörakustiker Martin Reinholz: „Alles im grünen Bereich“, erklärt der ihr. „Ich würde Ihnen empfehlen, den Test einmal jährlich zu wiederholen. Dann bleiben Sie auf der sicheren Seite.“

Lou Ferrigno zu Gast bei der DSB-HÖRMobil-TOUR: „Ohne Lippenablesen hätte ich mich früher gar nicht verständigen können.“

Erfreuliche Resonanz auf eine gelungene Hör-Aktion. Doch es kommt noch besser: Ein echter Star hat sich angekündigt. Und tatsächlich nähert er sich pünktlich um 15 Uhr inmitten einer kleinen Gruppe auf der Freifläche vor dem Reichstagsgebäude, steuert zielsicher auf den Info-Stand zu: Lou Ferrigno, Schauspieler, Fitness-Ikone, mehrfacher „Mr. Universum“ und bekannt vor allem durch seine Rolle als „Incredible Hulk“ überragt seine Begleiter deutlich und begrüßt uns bald darauf mit festem Händedruck: „Hi. I’m Lou.“

Kameras klicken. Handys werden hervorgezogen. Ein TV-Team der „rbb Abendschau“ steht bereit für ein Statement des Schauspielers. Dass Lou Ferrigno heute bei der DSB-Aktion dabei ist, hat einen driftigen Grund. Er lebt selbst seit frühester Kindheit mit hochgradigem Hörverlust. Und weil ihm auch stärkste Hörgeräte die erforderliche Unterstützung nicht mehr bieten konnten, entschied sich Lou Ferrigno vor zwei Jahren für die Versorgung mit einem Cochlea-Implantat.

„Mein Hörverlust wurde diagnostiziert, als ich etwa drei Jahre alt war“, berichtet der prominente Besucher vor laufender Kamera. „Schon damals war ich hochgradig schwerhörig. Ich war schon früh auf Hörgeräte angewiesen. Und ich musste früh lernen, von den Lippen abzulesen. Ohne Lippenablesen hätte ich mich gar nicht verständigen können. Vor allem, wenn man mit anderen zusammen ist, ist es sehr frustrierend, wenn man nicht gut hört. Man sitzt beim Essen und hofft nur, dass es bald vorbei ist. Man fühlt sich wie ein Ausgestoßener.“

Jetzt, mit seinem Cochlea-Implantat, seien Situationen mit anderen Menschen viel angenehmer und unterhaltsamer, so Lou Ferrigno: „Eigentlich hätte ich den Schritt zum CI schon zehn Jahre früher gehen sollen. Schon damals hatte mir ein Audiologe gesagt: ‚Sie brauchen ein Cochlea-Implantat. Selbst das beste Hörgerät der Welt kann Ihnen nicht das bieten, was Ihnen das CI bieten kann.‘ Doch erst als ich miterlebte, was einer meiner Freunde mit dem CI erreichte, entschloss ich mich, diesen Schritt gleichfalls zu gehen. Das CI gibt mir viel Selbstvertrauen. Ich habe sehr viel Lebensqualität gewonnen. Dank dieser Technologie fühle ich mich heute viel akzeptierter. Nach der Implantation musste ich das neue Hören natürlich erst trainieren. Aber es ist faszinierend, wie gut sich das Gehirn an die Technik anpasst.“

DSB-Präsident Matthias Müller: „Wir sind sehr froh, in Lou Ferrigno einen engagierten Fürsprecher zu haben.“

Zu den Begleitern des prominenten Gastes zählt auch Matthias Müller, Präsident des Deutschen Schwerhörigenbundes e.V. (DSB). Zuvor hatten beide ein Treffen im Bundestag genutzt, um das Gespräch mit dem politischen Berlin zu suchen. – „Um das Bewusstsein für die Belange von Millionen schwerhöriger Menschen und für die Bedeutung optimaler Hörversorgung zu stärken, ist es wichtig, immer wieder den Austausch zu suchen – mit der allgemeinen Öffentlichkeit und insbesondere auch mit den Entscheidern aus der Politik“, so Matthias Müller. „Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut, doch wir Hörgeschädigten brauchen sie dringend, damit wir möglichst alle von den Chancen neuester Therapieansätze profitieren können. Wir sind deshalb sehr froh, in Lou Ferrigno einen engagierten Fürsprecher zu haben, der uns zu noch mehr Aufmerksamkeit verhilft.“

Nachdem das Fernsehteam Statements und Schnittbilder im Kasten hat, lässt sich Lou Ferrigno von den Vertretern des DSB weitergehend informieren. Neueste CI-Soundprozessoren, aktuelles Info-Material… – der Gast aus Amerika ist offensichtlich sehr interessiert, zudem sympathisch und bodenständig. Selfies werden gemacht. Er nimmt sich für jeden ausreichend Zeit.

Schließlich muss er sich doch verabschieden, denn das Tagesprogramm ist noch lang und kaum Zeit für das geplante Sightseeing. – Brandenburger Tor, Tiergarten, Siegessäule, Schloss Bellevue… Lou Ferrignos Interesse an der Stadt scheint nicht weniger groß als sein Interesse an neuester Hörtechnik: „Berlin gefällt mir sehr. Ich kannte es bisher nur aus den Erzählungen meines Vaters, der eine Zeit lang als Soldat in Deutschland stationiert war. Er meinte, Berlin sei eine unglaubliche Stadt.“

Besuch in der HNO-Klinik der Berliner Charité: langjährige Geschichte der CI-Therapie und rund 1.500 Versorgungen seit 2005

Keine Starallüren, immer offen, geradeheraus: Als wir Lou Ferrigno am darauffolgenden Morgen wiederbegegnen, gibt es die nächste freundliche Begrüßungsrunde mit Shake Hands. Diesmal befinden wir uns in den Räumen der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde der Charité Universitätsmedizin Berlin im Virchow-Klinikum, Berlin-Wedding. Von Lou Ferrigno begrüßt wird das CI-Team um Frau Professorin Dr. med. Heidi Olze – inklusive der Professorin selbst, die der prominente Gast sichtlich freut.

Nun eine Führung durch die Räumlichkeiten der Klinik. Dr. Moritz Gröschel, Audiologe im CI-Team, zeigt Lou Ferrigno einen Audiometrie-Raum, dann den Raum für die neurophysiologische Untersuchung. Und er erläutert die verschiedenen Möglichkeiten neuester Hördiagnostik: Um zu testen, wie gut jemand hört und versteht, könne man sowohl Töne als auch Verfahren mit gesprochenen Sätzen verwenden. Für die Hördiagnostik bei Kindern gäbe es weitere Tests, passend zum jeweiligen Alter.

Lou Ferrigno hört aufmerksam zu und er hat zahlreiche Fragen: Wie ist die CI-Versorgung in Deutschland geregelt? Wieviel Zeit nimmt man sich hier für die Einstellung des Soundprozessors? Und wie ist die spätere CI-Nachsorge organisiert? Gerne steht der Audiologe Rede und Antwort. Er erklärt, wie die objektive Hörmessung vonstatten geht, wie man vor einer Versorgung sicherstellt, dass der Hörnerv in der Lage ist, die elektrischen Impulse der CI-Elektroden tatsächlich an das Gehirn zu leiten, und ebenso, wie die Vestibularisdiagnostik erfolgt.

Nach der Führung wird der Austausch im voll besetzten Meetingraum fortgesetzt. In ihrem Vortrag stellt Professorin Heidi Olze die mehr als 300-jährige Geschichte der Charité vor. Und wir erfahren, dass die CI-Geschichte des berühmten Klinikums schon 40 Jahre zurückreicht. Bereits 1985 erfolgte in der damaligen Ost-Berliner Charité eine erste CI-Versorgung mit einem „Self made CI“, das ein Forschungsteam der Einrichtung entwickelt hatte. Seit 2005 wurden in der neu geschaffenen „Charité – Universitätsmedizin Berlin“, einer der größten Kliniken Europas, etwa 1.500 CI-Versorgungen durchgeführt, darunter 400 bilaterale Versorgungen. Aktuell kommen jährlich rund 150 weitere CI-Versorgungen hinzu.

„Charité-Testbatterie“ zum Outcome der CI-Therapie: signifikant positive Einflüsse auch bei älteren und sehr alten Patienten

Weiterer interessanter Part des Vortrags von Professorin Heidi Olze sind Ergebnisse der „Charité-Testbatterie“ – Studien, die das Outcome von CI-Versorgungen erfassen, insbesondere auch für ältere Patienten. Auswirkungen der CI-Therapie auf die Lebensqualität, auf sprachliche Leistungen oder depressive Störungen und Angstzustände werden dabei ebenso ermittelt wie Auswirkungen auf die wahrgenommene Belastung durch Stress, auf kognitive Leistungsfähigkeit oder Beeinträchtigung durch einen Tinnitus.

Und diese Ergebnisse lassen aufhorchen. Denn offensichtlich hat das CI einen signifikant positiven Einfluss auf alle genannten Faktoren, und dass sowohl bei uni- als auch bei bilateral implantierten Patienten, bei älteren Patienten über 70 und auch bei sehr alten Patienten über 80. In den zurückliegenden Jahren gehörte ein Viertel der CI-Patienten der Charité der Altersgruppe 70+ an. Signifikante Verbesserungen – etwa in der Lebensqualität, durch die Zunahme sozialer Interaktion – ließen sich bei diesen Patienten bereits sechs Monate nach der Versorgung nachweisen.

Dem gegenüber steht jedoch eine erhebliche Unterversorgung bei schwerhörigen Menschen mit Indikation für das Cochlea-Implantat, wie DSB-Präsident Matthias Müller im sich anschließenden Redebeitrag betont: Nur fünf bis sieben Prozent derjenigen, für die ein Hörgerät nicht mehr ausreicht und die von einem Cochlea-Implantat profitieren könnten, erhalten auch tatsächlich ein CI. Und 80 Prozent der Deutschen mit schwerem bis hochgradigem Hörverlust wurden noch nie über ein Cochlea-Implantat informiert. Wenn bis 2030 keine Maßnahmen ergriffen würden, könne Schwerhörigkeit zur nächsten Gesundheitskrise werden. Es bestehe erheblicher Handlungsbedarf, dem die Schwerhörigen-Selbsthilfe unter dem gemeinsamen Dach des neu gegründeten Deutschen Hörverbandes (DHV) begegnen wolle.

„Wir haben zwar Hörgeräte und Cochlea-Implantate, die das Leben der betroffenen Menschen entscheidend verbessern können, aber wir stehen vor einer großen Herausforderung“, so der DSB-Präsident. „Medizinische Innovationen und lebensverändernde Behandlungen werden nicht immer adäquat eingesetzt. Es gibt eine große Behandlungslücke, die es zu schließen gilt. Um das zu schaffen, sind mehrere Schritte erforderlich: Die Gesundheitspolitik muss sich ändern. Wir müssen das Bewusstsein für unser Thema schärfen, die Beratung ausweiten und Initiativen wie den Tag des Hörens ausbauen. Wir müssen auch Angebote zur Hörprävention initiieren, beispielsweise ein flächendeckendes Hörscreening ab 50. Und es ist wichtig, dass jeder, der mit Hörtechnik lebt, von seinen Erfahrungen berichtet, und dass der Behandlungspfad zum besseren Hören gefördert wird. Um all das zu erreichen, müssen wir als Vertreter der Selbsthilfe in die Entscheidungsprozesse eingebunden sein.“

Lou Ferrigno: „Ich denke, dass heute ganz viele Menschen den Schritt zum CI gehen sollten.“

Lou Ferrigno hat die Darlegungen aufmerksam verfolgt. Dann wird er erneut nach seinem Weg zum besseren Hören befragt. Eine Geschichte, die er schon sehr oft erzählt hat und wohl noch sehr oft erzählen wird: „Ich denke, dass heute ganz viele Menschen diesen Schritt gehen sollten. Wie viele fühlen sich durch ihren Hörverlust isoliert oder schämen sich?! Und vom CI haben sie oft völlig falsche Vorstellungen. Sie denken, es ginge um eine Operation am Gehirn. Dabei sitzt das Implantat nur unter der Haut. Die Operation ist keine große Sache. Und wer sich für das CI entscheidet und erlebt, wie es funktioniert, der schöpft wieder Hoffnung. Man gewinnt einen großen Teil seines früheren Hörvermögens zurück.“

Nun haben die Zuhörer Gelegenheit, ihrem Gast Fragen zu stellen. Der erzählt ihnen bereitwillig, wie er das neue Hören mit CI mit einer audiologischen App trainiert hat, wie er die smarte Konnektivität seines Nucleus 8 Soundprozessors nutzt und welche enormen Vorteile ihm die Funktion FowardFocus bei Gesprächen in lauter Umgebung bietet. Dann ist noch die Zeit für ein Gruppenfoto im Park und für das eine oder andere Selfie. Und dann steht schon wieder der nächste Termin an. In einer anderen Stadt und einem anderen Land wird Lou Ferrigno erneut von seinen Erfahrungen mit dem Cochlea-Implantat berichten.

Nur noch Zeit für den Abschied und eine letzte Frage: „Lou, was würden Sie anderen in Ihrem Alter empfehlen, die die gleichen Hörprobleme haben wie Sie?“ – „Ich würde Ihnen sagen, dass sie eine deutlich bessere Lebensqualität haben könnten“, entgegnet Lou Ferrigno ins vorgehaltene Mikrofon. „Und dass es nur an einem selbst liegt, wenn man das Optimum an Hören herausholen will – für sich selbst und für andere. Schwerhörige Menschen durchleben oft eine schwierige Zeit mit Partner oder Familie. Diese Menschen leiden tatsächlich. Doch den allermeisten anderen ist egal, ob man ein Hörproblem hat. Also geht es nur um mich selbst. Und ich habe eine Möglichkeit, das Gehör wiederzuerlangen. Wenn ich mir selbst helfen will, dann kann ich mich für das CI entscheiden.“

Der Beitrag entstand im Rahmen der Aktivitäten von Adult Hearing. Adult Hearing ist eine internationale Informationsplattform, die darauf abzielt, das Bewusstsein für die neuesten klinischen Erkenntnisse zur Versorgung von schwerhörigen Erwachsenen zu schärfen und einen definierten Versorgungsstandard zu erreichen. Die Website wurde in Zusammenarbeit mit den Mitgliedern der Delphi-Konsensgruppe sowie dem Consumer and Professional Advocacy Committee erstellt. Weitere Informationen unter https://adulthearing.com/.