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15.10.2019

Gutes Hören beugt Demenz vor

Viele alte Menschen verzichten auf Hörgeräte. Mit fatalen Folgen, denn Schwerhörigkeit führt zu Ängsten und anderen psychischen Krankheiten. Zu diesem Schluss kommen Forscher, die sich die Auswirkungen des Hörvermögens auf Demenz angeschaut haben. Je nach Grad der Schwerhörigkeit steigt die Wahrscheinlichkeit an Demenz zu erkranken um bis zu 50 Prozent.

Brillen hatten vor einigen Jahrzehnten noch das Stigma des Alters. Sie waren ein lästiger Begleiter, um besser zu sehen. Mittlerweile ist ihr Ansehen beträchtlich gestiegen – mehr noch: Sie sind zum modischen Accessoire avanciert und es gibt Menschen, die tragen Brillen ohne eine zu brauchen! Mit einem Hörgerät dagegen ist das kaum vorstellbar: Die dümpeln noch in der Ecke „uncool“ vor sich hin.

„Wenn ich den Patienten sage, ich würde ihnen empfehlen ein Hörgerät bloß mal probeweise zu testen, dann fallen die aus allen Wolken und sind völlig entsetzt.“
Prof. Dr. Stefan Dazert, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum

Der Experte für Hals-Nasen-Orhenheilkunde an der Ruhr-Universität in Bochum hat ständig solche Erlebnisse. Doch Hörgeräte sind sehr wichtige sagt er, denn ab Mitte 50 hört der Mensch schlechter. Und statistisch gesehen ist ab dem 65. Lebensjahr jeder dritte schwerhörig.

„Etwa 14 Mio. Menschen in Deutschland sind hörbeeinträchtigt. Davon wäre für rund die Hälfte, also sieben Millionen, ein Hörsystem indiziert. Derzeit sind aber davon nur die Hälfte mit Hörsystemen versorgt“, erklärt der Vizepräsident vom Deutschen Schwerhörigen Bund, Dr. Norbert Böttgers: „Stellen sie sich vor, sie stehen voll im Leben und das wird Ihnen schrittweise genommen und Sie schämen sich Hörgeräte zu tragen.“

„Dann ziehen Sie sich zurück, kriegen vielleicht Ängste, weil Sie vieles nicht mehr mitbekommen. Sie sind nicht mehr orientiert. (…) Das ist klar, dass sich das auf die Psyche auswirkt – da ist der Zusammenhang leicht nachzuvollziehen.“
Dr. Norbert Böttgers, Deutschen Schwerhörigen Bund

Allerdings sei die Zufriedenheit mit den Hörsystemen wegen des technischen Fortschritts in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich gestiegen, so Böttgers.

Fünffach höheres Demenz-Risiko

Schwerhörigkeit macht depressiv. Das wurde bereits in einigen Studien bewiesen. Kann es aber auch Demenz auslösen? Mit dieser Behauptung ist Böttges vorsichtig. Einen anderen Standpunkt nimmt die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde ein. Sie verweist auf Studien, die zeigen, „dass eine mittelgradige Hörminderung das Demenzrisiko schon verdoppelt“, sagt Dazert. „Und dass eine hochgradige Schwerhörigkeit sogar mit einem fünffach erhöhten Demenz-Risiko einher geht.“ Den Zusammenhang zwischen Demenz und Schwerhörigkeit erklärt der Hörexperte so:

„Man geht davon aus, dass Menschen, die schlecht hören, relativ viel Energie und Höranstrengung aufbringen müssen, um eine normale Kommunikation zu führen und durch diese zusätzliche Anstrengung können eben andere Dinge nicht mehr so verarbeitet werden.“
Prof. Dr. Stefan Dazert, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum

Stefan Dazert selbst führt an der Ruhr-Universität in Bochum dazu Studien durch, die das bestätigen. Abhilfe schafft das unbeliebte Hörgerät. Doch ab wann braucht man eins? Wenn die Familie sagt, der Fernseher ist zu laut, gibt Dazert ein Beispiel. Oder wenn man selbst das Gefühl habe, dass man, wenn zwei, drei Leute durcheinander reden, zwar höre, dass die sprechen, aber kein Wort mehr versthe oder ständig nachfrage. Schwer hören im Alter habe weitreichende Folgen, appelliert Dazert. Und wenn es die Brille zum modischen Accessoire geschafft hat, warum dann nicht auch ein Hörgerät?

Quelle: mdr Wissen