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07.10.2021

„Hinter mir liegt eine lange Reise“

Wie sich der britische Indie-Sänger SIVU mit ReSound ONE die Musik zurückerobert

Mit Mitte 20 galt James Page (SIVU) als vielversprechender Nachwuchskünstler auf dem hart umkämpften britischen Musikmarkt, doch dann erkrankte er an der Menière-Krankheit und verlor einen großen Teil seiner Hörfähigkeit. Der junge Sänger und Songwriter kämpfte. Er machte seinen Höverlust öffentlich, verarbeitete die um ihn wachsende Stille in seinen Songs, ohne sich von ihr erdrücken zu lassen. Dennoch, in den zurückliegenden Jahren wurde es still um SIVU: keine neue Platte, keine Studioaufnahmen und keinerlei Live-Auftritte – bis jetzt. Seit dem vergangenen Jahr trägt der britische Sänger Hörgerät ReSound ONE und zum Welttag des Hörens war er in einem Online-Konzert erstmals wieder live zu erleben.

Dass er Sänger werden und auf der Bühne stehen wollte, wusste er schon früh: SIVU, der mit bürgerlichem Namen James Page heißt und in einer kleinen Küstenstadt in der englischen Grafschaft Cornwall aufwuchs, begann mit 14 Jahren Gitarre zu spielen. Zwei Jahre später schrieb er erste eigene Songs, erdachte passende Melodien und begleitete sich auf der Akustik-Gitarre. – „Ich habe schon früh sehr ernsthaft gearbeitet“, erinnert er sich. „Mein Opa, mit dem ich aufwuchs, war Sinatra-Fan und er spielte zu Hause immer dessen Musik. Also begann ich auch Songs zu schreiben. Als Teenager gründete ich immer neue, schreckliche Bands…“

Songs schreiben, so SIVU, sei für ihn schon bald eine ganz eigene Art zu kommunizieren gewesen: „Das kam so aus mir. Es fühlte sich einfach sehr natürlich an. Später wurde es für mich das Größte, meine Musik zu veröffentlichen. Es gibt nichts Schöneres als ein Album aufzunehmen und es dann erstmals selbst in den Händen zu halten. Zu erleben, dass andere Menschen die eigene Musik hören, ist die größte Belohnung.“

Ein Erfolg, der sich für SIVU tatsächlich schon relativ bald einstellte. Mit Mitte 20 hat er sich einen Ruf als talentierter junger Sänger und Songschreiber erarbeitet: Auftritte im Radio sowie auf großen Musikfestivals wie etwa dem Glastonbury Festival, erste Singles erscheinen. Nebenher jobbt er noch im Callcenter oder als Schuhverkäufer, wird jedoch schon von der Nick-Cave-Agentur ATC betreut und es kommt zum Abschluss des ersten großen Plattenvertrages.

„Ich war ziemlich fertig und merkte, dass etwas mit meinem Gehör nicht stimmt.“

Die Tageszeitung „The Guardian“ präsentiert SIVU ihren Lesern 2013 als den „neuen Gotye“, sie lobt seinen „eigenwilligen Indie-Sound“ und seine sensiblen Texte, die „nicht gerade dem Typ Liam Gallagher“ entsprächen. – Was der Guardian jedoch noch nicht wissen konnte: Etwa zur gleichen Zeit erkrankt SIVU an Morbus Menière.

„Ich erinnere mich an meinen ersten Schub“, so SIVU in einem Interview. „Ich erwachte, der Raum um mich her drehte sich nur noch und in meinen Ohren klingelte es. Das kam wie aus dem Nichts. Es war schrecklich. Ich verlor mein Gehör, vor allem auf dem rechten Ohr. Alles klang, als wäre es unter Wasser. Und mir schien es, als würde sich die Tür zu etwas schließen, das ich liebte. Ich fühlte mich völlig hilflos.“

Der junge Mann verdrängt diese Erlebnisse anfangs: „Es ging mir wieder gut. Mein erstes Album kam heraus. Ich ging auf Tour und habe mich nicht wirklich um meine Gesundheit gekümmert. Als ich nach sechs Wochen zurückkam, war ich müde und ziemlich fertig. Und ich merkte, dass etwas mit meinem Gehör nicht stimmt. Die Akkorde auf der Gitarre klangen nicht wie gewohnt. Meine Krankheit wurde schlimmer. Ich hatte über mehrere Wochen Schwindelattacken. Mein Gehör ließ sehr nach. Der Hörverlust dehnte sich auch auf mein linkes Ohr aus, das mein bevorzugtes Ohr ist.“

„Süße, süße Stille“ und offensiver Umgang mit der eigenen Hörschädigung

Es beginnt eine schwierige Zeit. SIVU muss kürzertreten, aber er gibt nicht auf. – „Ich arbeitete an meiner zweiten Platte und konzentrierte mich zugleich sehr auf mein nachlassendes Gehör.“

2017 präsentiert SIVU nicht nur sein zweites Album. Er macht auch seinen Hörverlust öffentlich. In Songs wie „Sweet Sweet Silent“ oder „Drastic Change“ sucht er die künstlerische Auseinandersetzung mit seiner Krankheit, singt von der „süßen Stille, die wächst“, ohne sich von ihr erdrücken zu lassen.

Auch in Deutschland wird das Album für seine „fein gesponnenen Folkpop-Songs“ (Westfälische Nachrichten) oder die „reduzierte Schönheit“ (dpa) aus SIVUs Falsett-Gesang, Piano und Streichern gelobt. Ein Achtungserfolg, der jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass der Künstler immer wieder an die Grenzen der eigenen Hörfähigkeit stößt: „In einer Phase, in der mein Gehör wirklich schlecht war, habe ich mich selbst beim Singen aufgenommen“, erinnert sich SIVU. „Ich fand meinen Gesang in Ordnung. Aber als ich mir die Aufnahme Wochen später erneut anhörte und es meinem Gehör wieder mal etwas besser ging, klang das alles völlig verstimmt. Das war das Schlimmste!“ – In einem Interview mit der BBC erklärt der damals 29-jährige, dass die aktuelle Platte aufgrund seines Hörverlustes die letzte gewesen sein könnte.

Sänger SIVU: „Mit ReSound ONE habe ich zurück in meine Musik gefunden.“

Seitdem vergingen weitere vier Jahre. Und tatsächlich wurde es still um den sympathischen Briten. Er hat keine neuen Songs veröffentlicht. Studioproduktionen schienen ebenso unmöglich wie Live-Auftritte.

Doch es gibt Hoffnung: Im vergangenen Jahr wurde SIVU mit Hörgerät ReSound ONE versorgt. ReSound ONE ist das weltweit erste vollausgestattete Hörgerät mit Mikrofon- & Receiver-In-Ear-Design (M&RIE), also mit Mikrofon im Ohr und zwei Standard-Richtmikrofonen, Direktionalitäts-Optionen und Audio-Streaming. Ein YouTube-Video zeigt, wie SIVU die Hörgeräte erstmals erlebt. Er sitzt in einer Anpass-Sitzung, lauscht konzentriert und ist zugleich sichtlich gerührt: „Das ist Wahnsinn“, kommentiert er schließlich und strahlt über das ganze Gesicht. „Das ist unglaublich; so ein Unterschied. Es klingt so gut, Wahnsinn!“

Mit ReSound ONE sei das Tonstudio endlich kein Ort mehr, der ihn klein und ängstlich mache, so SIVU: „Weil sich meine Hörfähigkeit so drastisch verringerte, änderte sich auch die Art und Weise, wie ich Musik hörte. Die Dinge klangen nicht mehr gleich. Ich zweifelte ständig an mir. Meine Gitarre, deren Klang mir allgegenwärtig ist, klang plötzlich nicht mehr richtig. So etwas erschüttert das Selbstvertrauen. Es machte mich bei jedem Auftritt ängstlich und nervös. Doch durch die Hörgeräte habe ich meine Sicherheit wieder. Dafür bin ich wirklich dankbar. Wenn ich hohe Töne singe, kann ich sie lauter regeln, ohne dafür auch die Bässe verstärken zu müssen. Ich habe wieder eine erstaunliche Klarheit und vor allem das Gefühl, meinem Gehör wieder vertrauen zu können.“

Die neue Technik – so SIVU weiter – hätte ihn komplett verändert: „Meine Hörfähigkeit schwankt täglich. An manchen Tagen betrat ich den Probenraum und stellte fest, dass ich heute keine Musik spielen kann. Aber jetzt geht es. Ich kann die Einstellung jederzeit ändern – je nachdem, wie meine Ohren sich fühlen. Das ist eine große Hilfe. Die Hörgeräte brachten mir sozusagen die Musik zurück. Bis dahin war mir gar nicht so klar, was mir fehlt. Wenn man etwas nicht mehr hört, kann man es auch nicht mehr erkennen – bis es einem zurückgebracht wird. Winzige Nuancen und Klangfarben, auf die ich mich nun wieder verlassen kann. Das hat mich selbstbewusster gemacht. Und ich höre Musik jetzt so, wie ich sie schon lange nicht mehr gehört habe.“

Online-Konzert am Welttag des Hörens: „Ich habe das Gefühl, ich bin zurück.“

Anlässlich des diesjährigen „Welttags des Hörens“ war SIVU nach mehrjähriger Pause erstmals wieder in einem Konzert zu erleben. Die von ReSound organisierte Show am 3. März konnte kostenlos in ganz Europa besucht werden, und unzählige Musikbegeisterte nutzten die Chance. Zum Konzerteinstieg wurde der Musiker von Gitte Aabo, CEO und President der GN Hearing, interviewt. Eine ihrer Fragen: Was würdest du Menschen raten, die so wie du einen Hörverlust haben?

„Sie sollten zu einem Hörakustiker gehen und einen Hörtest machen“, so SIVU. „Ich selbst wusste anfangs nicht, was mir fehlt. Und ich habe lange gebraucht, um die Tatsache zuzulassen, dass es ein Hörverlust ist. Bis ich mich an den Gedanken gewöhnt hatte, Hörgeräte zu brauchen, war es definitiv eine lange Reise. Inzwischen kann ich mir das Leben ohne meine Hörgeräte überhaupt nicht mehr vorstellen. Ich kann nur jeden ermutigen.“

Beim eigentlichen Konzert spielte SIVU Songs aus seinen beiden bisherigen Alben. „Sweet Sweet Silent“ war ebenfalls dabei. SIVUs Gesang klang beim Auftritt sicher und routiniert. Er begleitete sich auf der Gitarre, wechselte dann zum Flügel und bekam im Laufe des Online-Auftritts jede Menge virtuellen Applaus und anerkennende Chat-Kommentare.

Und das soll es noch lange nicht gewesen sein: „Ich kann wieder in die Zukunft schauen“, so SIVU beim abschließenden Chat mit den Konzertgästen. „Und ich habe das Gefühl, ich bin zurück. Ich habe lange gebraucht, um diesen Punkt zu erreichen. 2017, nach meinem zweiten Album, musste ich mir eine Auszeit nehmen. Doch jetzt fühle ich mich bereit. Und ich habe die nötige Unterstützung. Es ist aufregend. Hinter mir liegt eine lange Reise und ich lerne ständig dazu. Ich bin seit vier Jahren endlich wieder im Studio und will in den kommenden Monaten mein drittes Album produzieren. Ich hoffe, dass es nach Corona bald auch wieder möglich ist, Auftritte zu geben. Ich möchte unbedingt wieder auf Tour gehen. Und ich freue mich sehr über diese Aussichten.“

Quelle: ReSound