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01.04.2021

Super Power Hörgerät ReSound ENZO Q™

Mit ReSound ENZO Q™ präsentiert Hörgeräte-Hersteller GN Hearing eine neue Lösung für Menschen mit hochgradigem bis an Taubheit grenzendem Hörverlust. Die vierte Generation der ENZO Hörgerätefamilie ist in zwei Hinter-dem-Ohr-Bauformen (HdO 88 und HdO 98) erhältlich. Die Chip-Plattform, die mit der des Premium-Plus Hörgeräts ReSound LiNX Quattro™ identisch ist, ermöglicht 30% mehr Rechenleistung als das Vorgängermodell, eine um 100% schnellere Verarbeitung, 20% weniger Stromverbrauch und 100% mehr Speicher. Nachfolgender Beitrag stellt die neue Lösung vor1.

Schallleistung

Bei Menschen mit starkem bis hochgradigem Hörverlust ist der Bereich, in dem verstärkter Schall noch nicht unangenehm laut erscheint, eher klein. Anpass-Regeln, die Zielwerte je nach Frequenz und Eingangspegel vorgeben, basieren auf durchschnittlichen Werten für Leistung, Lautstärke und individuelle Vorlieben. Viele dieser Vorgaben bieten einen guten Ausgangspunkt für die Anpassung; doch Menschen mit stärkerem Hörverlust haben oftmals differenziertere Messergebnisse und spezifischere Vorlieben als jene mit geringerem Hörverlust. Sie sollten daher nicht auf Optionen beschränkt werden, die auf Durchschnittwerten basieren.

ReSound ENZO Q ermöglicht es, die Verstärkung ausgehend von mehreren Anpass-Vorgaben weiter zu personalisieren. Die Verstärkung kann z. B. linearer erfolgen, die Lautstärke von niedrigen Frequenzen kann erhöht und die MPO begrenzt werden, Zeitkonstanten können angepasst werden. Somit kann der Hörakustiker die Hörgeräte nach unterschiedlichen Strategien anpassen und unterschiedlichste Werkzeuge nutzen. Zudem ermöglicht die Sound Shaper Frequenzkompression, dass hohe Frequenzen besser gehört werden können – ein möglicher Vorteil für die Klangqualität, ohne dass das Sprachverstehen beeinträchtigt wird.

Hohe Verstärkungen gehen immer mit hohem Risiko für Rückkopplungen einher. Verstärkter Schall, der vom Gehörgang zurück zu den Hörgeräte-Mikrofonen gelangt, wird bei High-Power-Versorgungen häufig gut durch das maßgefertigte Ohrpassstück kontrolliert. Somit können interne Übertragungswege in den Hörgeräten die hauptsächlichen Begrenzungen für die zur Verfügung stehende Verstärkung sein.

Wichtig für das Rückkopplungs-Management ist das Hardware-Design. Hier setzt GN auf eine bewährte Bauform mit branchenführenden Werten für Verstärkung und Leistung (Abb. 1). Ebenfalls hervorzuheben sind die Hörwinkel. Die Summe der Kräfte, die auf den Hörwinkel einwirken, ist die größte Komponente für die vibroakustische Rückkopplung innerhalb des Frequenzbereichs, der für High Power HdO-Geräte am wichtigsten ist. Die Winkel für die ReSound ENZO Familie werden aus Material gefertigt, das für Vibrationen weniger anfällig ist als der standardmäßig genutzte Kunststoff. Das High Power HdO verfügt über einen Hörwinkel aus Metall, der Hörwinkel des Super Power HdO besteht aus einer Kombination von hartem und weichem Kunststoff. Verglichen mit Standard-Kunststoffwinkeln, kann bei beiden Bauformen ein Plus von 5 dB Verstärkung genutzt werden.

Das Rückkopplungsunterdrückungssystem DFS Ultra II wurde für die Chip-Plattform neugestaltet. Es verbindet zwei Filter zur Phasenauslöschung mit einem Algorithmus zur Korrektur der Verstärkung. Der Algorithmus kann mögliche Rückkopplungen in dynamischen Situationen voraussagen und er verringert die Verstärkung kurzfristig, sodass keine hörbare Rückkopplung auftritt. Ermöglicht werden Anpassungen gemäß vorgeschriebenem Verstärkungswert; zugleich werden Rückkopplungen verhindert, ohne dass die Verstärkung so reduziert wird, dass sie unter dem benötigten Wert liegt.

Belegt wurden die Vorteile beim Vergleichstest mit einem anderen Premium HdO für starke bis hochgradige Hörverluste. Hier erfolgten drei Messungen, die erste mit deaktiviertem Rückkopplungs-Management., jedoch ohne zusätzliche Erschwernisse. Unter diesen Gegebenheiten zeigte keines der Geräte eine Rückkopplung. Die zweite Messung erfolgte mit aktiviertem Rückkopplungs-Management. Das andere Testgerät zeigte dabei eine leichte Reduzierung der Verstärkung, während ReSound ENZO Q unverändert die gleiche Verstärkung bot. Schließlich wurde eine Hand an das Hörgerät gelegt. Hier wurde beim anderen Hörgerät eine hörbare Rückkopplungsspitze erfasst. Bei ReSound ENZO Q trat keine Rückkopplung auf, die Verstärkung blieb während der Messung stabil.

Verbessertes Hören in Lärm

Größte Herausforderung für praktisch alle Hörgeräteträger ist das Hören im Störlärm. Hersteller bieten hier zumeist ein und dieselbe Lösung: direktionale Mikrofoncharakteristiken. Problem ist jedoch, dass sich die im Labor nachweisbaren Vorteile der Direktionalität nicht einfach auf alltägliche Hörsituationen übertragen lassen. Spezifische akustische Gegebenheiten, Interaktionen des Nutzers mit der Umgebung, visuelle und kontextuelle Hinweise – mehrere, für das Verstehen entscheidende Aspekte bleiben unberücksichtigt.

ReSound wählt daher einen Ansatz, der sich grundlegend von dem anderer Premium-Hörgeräte unterscheidet: die Binaurale Direktionalität III. Anstatt sich ausschließlich auf die Verbesserung des Signal-Rausch-Verhältnisses zu fokussieren, werden drei unterschiedliche Strategien des Zuhörens in Alltagssituationen unterstützt. Die Binaurale Direktionalität III stellt sicher, dass der jeweils angebotene Hör-Modus nicht den vom Gerät unerkannten Faktoren zuwiderläuft. So könnten etwa bei einem Familientreffen gleichzeitig verschiedene Unterhaltungen erfolgen. Zusätzlich könnte eine TV-Übertragung zu hören sein. Die Hörgeräte können hier die Schallpegel, das Auftreten und die Richtung von Sprache sowie das Vorhandensein von anderen Geräuschen erkennen. Sie wissen jedoch nicht, an welcher Unterhaltung der Nutzer teilnehmen möchte, ob es wichtig ist, auch andere Gespräche zu verfolgen, oder ob der Nutzer nur die TV-Übertragung sehen möchte. Der traditionelle Ansatz von Direktionalität sorgt hier dafür, dass die Hörgeräte für Klang von vorn das beste Signal-Rausch-Verhältnis bieten, andere Geräusche werden so weit wie möglich reduziert. Doch schlimmstenfalls wird dadurch genau das Gegenteil von dem erreicht, was der Nutzer möchte. Untersuchungen zeigen, dass ein hohes Maß an Direktionalität es erschwert, Gesprochenes zu lokalisieren und ihm zu folgen, wenn die Quelle sich nicht vor dem Anwender befindet.

Binaurale Direktionalität III liefert hingegen jedem Ohr die Informationen, die das Gehirn benötigt, um die jeweils passende Strategie für das Zuhören einsetzen zu können. In ruhiger Umgebung ohne konkurrierende Signale sind nur Lautstärke und auditiv-räumliche Informationen erforderlich. Wird die Umgebung jedoch durch mehrere, konkurrierende Signale und mehr Nachhall komplexer, wechseln die Zuhörer zu einer „Strategie des besseren Ohres“. Das heißt, sie setzen nun auf jenes Ohr, das ihnen das, was sie hören wollen, am besten darstellt. Um diese Strategie zu unterstützen, nutzt die Binaurale Direktionalität III automatisch eine direktionale Rückmeldung für ein Ohr sowie eine speziell kalibrierte omnidirektionale Rückmeldung für das andere. In Kombination mit dem Kopfschatteneffekt führt dies zu satteren Kontrasten bei den für jedes Ohr bereitgestellten Informationen; ebenso wird die räumliche Demaskierung unterstützt. Zuhörer können sich besser entscheiden und sich besser auf das konzentrieren, was für sie wichtig ist. In diffusen akustischen Gegebenheiten, in denen Sprache ausschließlich vor dem Zuhörer auftritt, ist die Maximierung des SNR für Sound von vorn die bevorzugte Hörstrategie. Um dies zu unterstützen, wird die Binaurale Direktionalität III hier eine direktionale Rückmeldung zu beiden Ohren bereitstellen.

Die Vorteile, die die Nutzung direktionaler Mikrofontechnologie durch die Binaurale Direktionalität III gegenüber Omnidirektionalität bietet, wurden nachgewiesen; darüber hinaus bleibt die Aufmerksamkeit für Geräusche der Umgebung besser erhalten als bei anderen direktionalen Mikrofon-Strategien; zugleich wird ein besseres Hören im Störlärm geboten1. Für Menschen mit starkem bis hochgradigem Hörverlust blieb der direktionale Vorteil für Sprache, die vor dem Nutzer auftrat, bei allen Generationen der ReSound ENZO Familie sowie bei allen Versionen der Binauralen Direktionalität durchweg bei 4 dB – und dementsprechend bei 60% besserer Spracherkennung im Vergleich zur Omnidirektionalität (Daten liegen vor). Diese Verbesserung entspricht jener, die andere Premium-Hörgeräte unter Verwendung stark direktionaler Algorithmen bieten. Die Binaurale Direktionalität III bietet jedoch einen grundlegend besseren Zugang zu Klängen, die nicht vor dem Anwender auftreten.

Impulsschallunterdrückung

 

Ob Besteckklappern, Hämmern oder Papierrascheln – plötzliche Geräusche werden von vielen Hörgeräteträgern als störend erlebt. Dass dies insbesondere für Menschen mit starkem bis hochgradigem Hörverlust gilt, ist angesichts des schmalen Dynamikbereichs und hoher Verstärkungen nicht verwunderlich. Um Geräusche unterschiedlichster Art auf einem angenehmen Level zu halten, nutzt ReSound ENZO Q eine Impulsschallunterdrückung. Sie ermöglicht eine sofortige Verstärkungsreduzierung – in Abhängigkeit von der Umgebung, vom Inhalt der Frequenzen und dem Geräuschpegel sowie in Abhängigkeit von den Zielvorgaben des Nutzers2.

Nutzung von moderner Technologie

Smartphones und Tablets sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Um Menschen mit starkem bis hochgradigem Hörverlust uneingeschränkte Teilhabe zu ermöglichen, ist es wichtig, sie auch bei der Nutzung dieser Technologien zu unterstützen. ReSound ENZO Q bietet dafür ein vollständiges Ökosystem an Vernetzungsoptionen (Abb. 2). Die traditionelle Telefonspule sowie direkte Audio-Eingänge können ebenso genutzt werden wie das gesamte Portfolio an ReSound Wireless-Zubehör für Anbindungen an praktisch jede Audioquelle. Externe Mikrofontechnik wie das ReSound Multi Mic verbessern das Signal-Rausch-Verhältnis entscheidend. Große Vorteile bietet Konnektivität auch beim Telefonieren.

Untersuchungen von Jespersen & Kirkwood3 zeigen, warum drahtloses Streaming von Telefonaten gerade für Menschen mit stärkerem Hörverlust vorteilhaft ist. Beim Test zur Spracherkennung am Telefon verstanden Probanden im Durchschnitt nur 6%, wenn diese Sprache aus einem Telefon kam, das an das Hörgeräte-Mikrofon gehalten wurde. Wurden die Signale hingegen bilateral zu den Hörgeräten gestreamt, lag die Verbesserung bei über 45%, und zwar unabhängig davon, ob der Schall direkt von einem Smartphone oder über den ReSound Telefonclip+ gestreamt wurde. Weitere Vorteile ergaben sich durch die Hinzunahme visueller Hinweise. Menschen mit sehr starkem Hörverlust stützen sich beim Verstehen von Sprache ebenso auf visuelle wie auf auditive Informationen. Wurde neben dem bilateralen Streaming auch noch die FaceTime-App für Video-Telefonie genutzt, so dass die Probanden das Gesicht des Anrufers sehen konnten, dann lag die durchschnittliche Verbesserung bei mehr als 70%. Beim ReSound ENZO Q ist direktes Streaming nun sogar von kompatiblen Android™ Smartphones möglich. Über den ReSound Telefonclip+ kann zudem jedes Bluetooth-fähige Smartphone Audiosignale in das ReSound ENZO Q streamen.

Eine weitere Verbesserung wird durch das Mix-In-Streaming erreicht: Bislang war zum Empfang des Streamings vom Smartphone oder über den Telefonclip+ ein Wechsel der Hörprogramme erforderlich. Dieser ging mit einer Verzögerung von bis zu vier Sekunden einher, so dass etwa der Beginn eines Telefonats oder einer Navigationsansage nicht empfangen wurde. Bei ReSound ENZO Q ist zum Empfang des Streamings kein Programmwechsel mehr nötig.

Fern-Feineinstellung

Fern-Feineinstellung mit der ReSound Assist Funktion ermöglicht es Hörakustikern, ihre Kunden auch außerhalb des Fachgeschäftes zu betreuen. Mit diesem Tool lassen sich Ergebnisse erzielen, die denen von Anpass-Sitzungen im Fachgeschäft vergleichbar sind4. Mit dem neuen ReSound Assist Live gibt es nun noch eine zusätzliche Option: Hörakustiker und Kunde verständigen sich live in einem Video-Chat, während die Hörgeräte online feinangepasst werden.

Kombination mit Cochlear™ Hörimplantaten

Viele Menschen, die mit einem Cochlea-Implantat (CI) hören, tragen auf dem anderen Ohr ein Hörgerät. Die Smart Hearing Alliance, die strategische Partnerschaft von Cochlear und ReSound, erweitert die Möglichkeiten solcher bimodalen Lösungen. ReSound und Cochlear nutzen Wireless-Technologie gemeinsam (Abb. 2), was erhebliche Vorteile bringt. Nutzer einer solchen bimodalen Lösung können von einem kompatiblen iOS- oder Android-Gerät direkt und simultan zu ihrem Cochlear™ Hörimplantat und zu ihrem Hörgerät streamen; ebenso ist bimodales Streaming von einer Reihe von Wireless-Zubehör möglich5.

Literaturhinweise
1Groth J, ReSound ENZO QTM brings more than power to people with severe-to-profound hearing loss. 2020. ReSound white paper.
2Sjolander L, Quilter M, Groth J. Hearing aid users show preference for ReSound Impulse Noise Reduction. ReSound white paper. 2019.
3Jespersen, CT, Kirkwood, B. Speech Intelligibility Benefits of FaceTime. Hearing Review. 2015;21(2):28.
4Groth J, Dyrlund O, Wagener K, Meis M, Krueger M. Finetuning outcomes are similar via teleaudiology and face-to-face. Canadian Audiologist. 2019; 6(2). https://www. canadianaudiologist.ca/issue/volume-6-issue-2-2019/gn-resound-industry-research-6-2-feature/
5Schumacher J. Supporting the benefits of bimodal: ReSound ENZO Q and the Smart Hearing Alliance. 2019. ReSound white paper.

Über den Verfasser:
Tobias Fehling ist Junior Produktmanager bei der GN Hearing GmbH in Münster, bei der er für die Produktanmeldung, die Begleitung des Produktlebenszyklus sowie den internen und externen Austausch zwischen verschiedenen Partnern und Abteilungen zuständig ist. Seine Ausbildung zum Industriekaufmann absolvierte er bei der GN Hearing GmbH, Münster.

Foto ReSound